Lieber Drakon,
Gestern bin ich aus der Wache ausgetreten. Zum ersten Mal nach so langer Zeit habe ich keine Uniform mehr, die ich täglich anziehen muss. Muss ich nicht mehr stundenlang an Türen, Wänden oder Pfeilern stehen und trotzdem wachsam sein. Habe endlich Zeit, die ich mit Giselher verbringen kann und muss nicht alle paar Wochen ständig Nachtdienst schieben. Aber es ging einfach nicht mehr. Ich musste einfach diese Konsequenz für mich ziehen, auch wenn es Dir falsch vorkommen mag.
Zur Erklärung: Der Fürst hat eigentlich nur durch einen Spaß von mir und Giselher die Idee bekommen, mich für einen Tag zum Seneschall zu machen und Giselher und er waren einfache Gardisten. Ich habe am Anfang nicht darüber nachgedacht, warum er es tat. Ging erstmal nur davon aus, dass es ein Test für mich war. Es stellte sich heraus, dass es ein Test für alle Beteiligten und Unbeteiligten war. Aber das zu erklären würde zu viele Zeilen füllen und Dich nur langweilen. Fakt ist, ich habe als ich die Uniform von Giselher trug gemerkt, wie unglaublich mich die meisten Männer der Garde wirklich auf die Palme bringen. Ich musste mich sehr zusammenreißen meinem Unmut mithilfe der Macht, die ich durch die Uniform hatte, nicht Luft zu machen. Natürlich war mir das auch schon vorher bewusst, dass die Denkensart, die Elmion (der übrigens jetzt anstatt Giselher der neue Hauptmann ist), aber vor allem der Freiherr Elteror und ein Herr Faeryllian, den Du nicht kennst, völlig anders ist, als die meinige und die, die ich von der Familie kenne. Oder würdest Du mit einer Frau schlafen, die ein Bruder von Dir liebt aber nicht mit ihr zusammen sein kann? Ich denke nicht. Und das hat auf jeden Fall dieser Faeryllian getan und seit dem kann ich ihn echt nicht mehr ausstehen. Es gibt noch andere Gründe aber es endete im Endeffekt darin, dass ich erkennen musste, wie sehr mich das alles belastet, dass ich wachen muss mit Männern, denen ich nicht hundert Prozent vertraue. Natürlich weiß ich, dass sie ihr Leben für mich lassen würde und das würde ich auch für sie, aber es fehlt der enge Zusammenhalt wie in der Familie. Ich würde ihnen zum Beispiel nicht meine Kinder anvertrauen – wenn ich denn welche hätte. Und so habe ich meinen Hut gezogen, denn ich kann nicht dafür garantieren, dass ich stets herunterschlucken kann was mich so persönlich trifft und aufregt und wenn ich in meiner dummen ungestümen Art, die Du ja zu gut kennst, etwas dummes tun würde, würde das das Haus und vor allem Giselher schädigen, was ich natürlich keinesfalls will. Ja und so bin ich nun ohne Amt und ohne Aufgabe bis auf die Tatsache, dass ich Lady Aldorn, die Frau des Seneschalls bin und versuchen will ihm eine möglichst angemessene und liebevolle Gattin zu sein.
Ich hoffe sehr, dass Giselher damit klar kommt. Ich glaube, er sieht in mir stets nur die Meroun mit dem Schwert an ihrer Seite. Ich weiß nicht, ob er mich noch so lieben wird, wenn ich das Schwert beiseite lege und Mutter bin. Aber ich bin voller Hoffnung, dass ich dadurch nicht in seinem Ansehen sinke. Du weißt ja, was für ein guter Mann er ist. Das Problem ist, dass ich keine Ahnung habe, was ich nun mit meiner Zeit anfange. Ich habe zwar jetzt ein kleines Projekt aber danach – mal gucken. Ich hoffe, dass mir die neue Magd, die übrigens eine interessante Person ist, und vielleicht die Gräfin Valdoran helfen werden, meinen Tag wie eine Lady zu gestalten. Mir wurde gesagt man spielt Harfe und stickt. Das erscheint mir erschreckend langweilig und ich weiß nicht, wie mich das ausfüllen soll. Aber so werde ich mich um den Garten kümmern und Saladoc Wintermoor, ich glaube, Du kennst ihn, hat mir angeboten ein Haus im Auenland als Ausflugsziel für Giselher und mich zu kaufen und so denke ich, kann ich da auch einige Tage verbringen immer mal wieder. Ich werde dann meine Talente im Kochen und in der Gartenarbeit weiter auszubauen, da sind Hobbits ja wirklich überragend mit. Und wenn mir wirklich die Decke auf den Kopf fällt hat mir Frau Cutting, eine der Seefahrerinnen unter dem Eid Cinlirs, schon angeboten mit zur See zu fahren. Was wäre das für ein Abenteuer! Ich muss mal sehen, ob ich das machen könnte so als Lady. Vielleicht könnte ich sogar bis nach Minas Faer reisen zu unserem Land und Dich besuchen kommen!
Ah und bevor ich es vergesse zu schreiben: Britha ist im Breeland!!! Sie hat einen Posten als Gardistin bekommen und wohnt in meinem alten Haus. Du kannst Dir vorstellen, wie ich mich freue. Endlich jemand, den ich wirklich fast mein ganzes Leben kenne. Jemand, der mich sogar besser kennt als Giselher. Du weißt, wie sehr ich Damares vermisse…Aber ich hab mir übrigens geschworen, sollte ich ein Mädchen bekommen, wird sie Damares heißen und hoffentlich so ehrenvoll, direkt und mutig wie unsere Schwester. Aber Giselher wünscht sich einen Jungen… Ach genug davon, ich möchte Dich nicht mit solch Frauengeschwätz belästigen. Ich hab hier viele Freundinnen, denen ich damit ein Ohr abkauen kann.
Ich hoffe, es geht Dir gut und Du hast Dich mittlerweile dort eingelebt. Ich freue mich sehr darauf, wenn das irgendwann “bei uns” sein wird. Ich würde mich freuen einmal wieder von Dir zu lesen. Ich glaub, Giselher hat heut ein Brief an Dich angefangen. Vielleicht also wirst Du diesen und seinen gleichzeitig in den Händen halten. Schimpf mit ihm, wenn er was schlechtes über mich schreibt.
Wehe, Du isst nicht ausreichend!
In Liebe,
Deine Schwester Bryanne