Die Tage, sie vergehen mit einer unangenehmen Zähigkeit und doch habe ich kaum Zeit meine Gedanken nieder zu schreiben. Mein Gatte arbeitet unendliche Stunden doch verbringt er diese zumeist am Schreibtisch. Eine Tätigkeit, die er in Ost Agar kaum ausfüllen musste, zu oft war er auf dem Schlachtfelde von Nöten. Mich freut es, dass er nun sicherer unter unserem Dach weilt, doch seine Begeisterung darüber hält sich in Grenzen. Wenn ein Soldat nicht kämpfen kann, dann ist er nur ein halber Mensch. Eine Tatsache, die ich bedauerlicher Weise gelernt habe über die letzten Jahre. Mein Vorschlag, die Klingen mit einem der Merouns zu kreuzen scheint auf sehr offene Ohre gestoßen zu sein. Keiner des Haushaltes wäre dafür die richtige Person. Zu groß ist die Angst. Eine Angst, die ich nicht nachvollziehen kann und mich erneut frage, was für eine Art Herrscher Alejandro Salas gewesen sein muss. Von allen Ecken tönen weiterhin Lobgesänge über ihn. Es ist erschreckend und enervierend faszinierend zu gleich. Und doch scheint keiner den Blick auf seine schlechten Seiten verschleiert zu haben. Ich hoffe, dass dieser wache Blick des Haushaltes auch auf meinen Gatten fällt. Er ist ein guter Mann. Ein Soldat zwar, stark, geradlinig und teilweise etwas zu kämpferisch. Seine Ansichten sind geprägt von seiner Erziehung doch bildeten sie sich in seiner Rolle als Herzog und als Heerführer heraus. Er wird lernen müssen mehr Diplomat und Freund zu sein. Eine Rolle, die ich bisher übernehme, denn dies ist meine Bestimmung als seine Gattin und als Herzogin von Ost Agar. Die Rollen einer Frau – später. Weiter zu meinem Gatten. Seine Ansichten mögen etwas festgefahren sein, doch sind es hohe Werte, die ihnen zu Grunde liegen. Seine Befehle dienen dem Schutz anderer, seine Handlungen dem Wohl von Ost Agar und Minas Faer. Ich bete zu den Valar, dass die Personen, die uns umgeben, dieses sehen werden. Sehen werden, was für ein Mensch in der Schale des Herzogs und Fürsten steckt. Etwas, was sie doch bei Salas sehen konnten anscheinend. Nun, die Zeit wird unser Verbündeter sein.
Ich sprach über meine Aufgaben als seine Gattin. Doch bin ich nicht die einzige Frau, die in diesen Zeiten ihre Rolle in dem Schauspiel des Lebens übernehmen muss. Da ist zum Beispiel die Gräfin Salas. Eine aufrichtige, liebenswürdige Person. Eine Frau die, so denke ich, vielleicht ein zu großes Herz für diese Welt hat und dennoch versucht pflichtbewusst und erhobenen Hauptes durch die Welt zu gehen. Immer noch habe ich den Grafen Salas nicht kennen gelernt. Er scheint sich nicht zu trauen. Mir scheint es, dass in dieser Ehe wohl die Rollen umgekehrt sind. Eine Frau, die Diplomatin und Seneschall ist, eine Frau, die aufrecht im öffentlichen Leben agiert und ein Ehemann der im Verborgenen bleibt, fast mit eingezogenem Schw Kopf. Langsam werde ich diesbezüglich etwas misstrauisch, doch mit Sicherheit werde ich nicht den Grafen aufsuchen. Sein Weg muss ihn zu uns führen und nicht umgekehrt. Mehr als ihm die Worte ausrichten zu lassen, die ich der Gräfin für ihn mit auf den Weg gab, kann und will ich nicht tun. Doch bald ist meine Geduld am Ende.
Ebenso ist eine neue Frau in dieses Schauspiel eingetreten. Majola, meine neue Zofe. Ein kleines, verschüchtertes Ding mit wenig Wissen und noch weniger Erfahrung. Und doch hat sie irgendetwas in mir berührt und ich habe sie in meine Dienste gestellt. Sie ist recht tüchtig und aufmerksam. Doch liegt ihre Erfahrung nur im Bereich der häuslichen Ordnung. Ich werde noch viele Lehrstunden mit ihr haben, doch ich habe das Gefühl, dass in ihr Potenzial liegt. Ihr Empfehlungsschreiben von ihrer vormaligen Herrin klammerte sie wie ein Schild vor sich, als sie das erste Mal vor mich trat. Doch eines Tages wird sie mit einem Empfehlungsschreiben von mir die Dienste in einem anderen hohe Hause antreten können und dann wird sie nicht stotternd, unwissend und schüchtern dort stehen, sondern mit erhobenem Haupt, sich bewusst über ihre Fähigkeiten und mit wachem Blick auf unsere Gesellschaft. Niemals sollte irgendwer die Fähigkeiten und Möglichkeiten einer Zofe unterschätzen. Ein Fehler, den die meisten nur einmal begehen.
Dies bringt mich zu einer Frau, die ihre Rolle im Leben anscheinend nicht wahrhaben will – Herzogin Moraja. Ihr Vater stellte sie unter meines Gattens Schutz derweil sie in Breeland ist. Ebenso legte er es in seine Hände einen passenden Gatten für sie zu erwählen. Aus diesem Grunde ließ er sie vortreten. Da die Auswahl des Gattens vor allem zuerst die Rolle der Frau ist, wählte ich auch anwesend zu sein und die Dame zu begutachten. Herauszufinden, was für eine Person sie ist und um einem möglichen Ehemann ihre Vorzüge zu erläutern und dann meinem Gatten die Verhandlungen zu überlassen. Zuerst erschien sie als eine junge, hübsche Dame von Stand. Recht angenehm für das Auge. Doch dann wagte sie es in einer Art mit meinem Gatten zu sprechen, die wohl darauf schließen ließ, dass sie sich als gleichwertig erachtet. Uns wurde versichert, dass sie eine tadellose Erziehung genoss doch dieses Verhalten deutet auf eine Nachlässigkeit diesbezüglich hin, über die ich, wäre ich nicht so schockiert, trauern müsste. Sie ist eine unverheiratete junge Frau von niedrigerem Stand als mein Gatte. Sie wurde von ihrem Vater ihm überantwortet und dann nimmt sie sich heraus sich derart zu betragen. Mein Erschrecken über ihre Worte lässt das Mitleid, das ich mit ihr empfinde, schrumpfen. Es scheint als würden in Thal ähnliche Zustände wie in Bree herrschen. Sie sprach von Liebe zu einem Mann. Einem Hauptmann ihrer Gemeinschaft. Erstens, wie kann, will und darf sich eine unverheiratete Frau von Stand als Mitglied einer Gemeinschaft sehen oder sich derart engagieren? Zweitens, auf unsere Nachfragen hin wie oder was dieser Hauptmann vom Stande sei antwortete sie, dass sie dieses nicht wisse. Ich frage mich, was sie überhaupt von ihm weiß. Er muss sie sehr umschmeichelt haben in der Hoffnung durch die Heirat gesellschaftlich aufzusteigen. Oder er ist derart hinterhältig, dass er eine Entführung plant, um mögliches Lösegeld zu erpressen. Jeder aufrichtige vernünftige Mann würde der Dame seines Herzens gerade wenn sie von solch einem Stand ist die Fakten über sich selbst offenbaren. Würde mitteilen, dass er für sie sorgen könnte und würde vor allem bei ihrem Vater oder ihrem Treuhänder um Erlaubnis für die Brautwerbung bitten. Doch all dieses schien sie schon vergessen zu haben in ihrem jungendlichen Leichtsinn. Sie ist nur wenige Jahre jünger als ich, doch scheint es mir, als würden zwischen uns Welten liegen. Es erstaunt mich, da ich davon ausging, da wir aus demselben Stand entstammen, die gleichen Grundvorrausetzungen unseres Denkens und unserer Erziehung haben. Mein Gatte entließ sie daraufhin aus seinem Schutz und seinen Augen. Wir warten noch auf Antwort aus Thal.
Und abschließend einige Worte zu einer Frau, die sich in eine Rolle eingefunden hat welche aber nicht ihre Rolle zu sein scheint – diese kleine Dirne. Mir wurde unter anderem von Hylea über sie berichtet. Hylea war recht aufgebracht, was die ganze Sache noch untertreibt. Diese junge Frau ist also eine Dirne und andererseits ist sie es wohl nicht. Mir wurde berichtet, dass sie erwartet, dass sich die Männer von ihr nehmen sollen, was sie wollen doch ist es stets die Aufgabe der Frau und so auch der Dirne den Männern das zu geben, was sie wollen könnten. Mir wurde sie als recht hübsch und unverbraucht aussehend beschrieben. Wieso also ist sie in diesem Stand und nicht verheiratet? Gut, viele Frauen rutschen aufgrund von unglücklichen Ereignissen ab. Jenes mag ich nicht von der Hand weisen. Und einige wählen sich den Berufsstand freiwillig wofür es tatsächlich vielerlei Gründe gibt. Doch welche Gründe hat diese Frau? Und wieso gibt sie vor ihren Stand zu akzeptieren und verhält sich anscheinend wie ein kleines graues Mäuschen? Und wie, bei den Valar, kann sie mit diesem Verhalten ausreichend verdienen? Ich mache mir zu viele Gedanken über eine Person, die ich aus vielerlei Gründen als Abschaum empfinden sollte, eine Person, die ich aus noch mehreren Gründen nicht mal für wenige Sekunden in meine Gedanken lassen sollte – und doch…
Meine Neugier wird mein Grab sein.