Nächtliche Zeilen

Nachdem sie sich mehrere Stunden im Bett von rechts nach links und wieder von links nach rechts zurück gewälzt hatte, dann den Versuch abgebrochen hatte sich mit einem Roman müde zu lesen, hatte sie sich dann entschieden einen Brief zu schreiben, der wahrscheinlich eh viel zu lange überfällig war.

Lieber Drakon,

 mit diesen Zeilen möchte ich Dir sagen, dass es mir gut ergeht hier im Breeland und ebenso allen, die noch hier sind und um deren Wohlergehen Du besorgt sein könntest. Vielleicht hast es schon vernommen aber trotzdem möchte ich es Dir selber mitteilen: Ich vereidigte mich beim Hause Minas Faer nach meiner Rückkehr. Seit dem diene ich hier als Gardistin und habe quasi die gleichen Aufgaben wie früher als der Segen der Valar noch über unserer Familie lag.

Ich hoffe, auch Dir geht es gut und Du hast bisher noch keine schlimmen Verletzungen davon getragen. Ich hoffe sehr, dass ich Dich mit meiner Rückkehr nicht zu sehr enttäuscht habe, doch welchen Nutzen hätte eine Bryanne derzeit schon an der Front außer allen im Weg herumzustehen?! Giselher hatte sich sehr gefreut über Deinen Brief, wahrscheinlich vor allem, da er ein Lebenszeichen von seinem Freund bedeutete. Ich glaube, er vermisst Dich schon ebenso wie ich Dich vermisse und Deine ruhige Art und Deine weisen Lehren. Ich bin so egoistisch und hoffe, dass Du vielleicht bald zurückkehren kannst und wenn es nur für einige wenige Wochen ist. Vielleicht wird es dazu sogar einen Anlass geben…

Ich hoffe, Du sitzt gerade bequem…bzw. sitzt überhaupt, denn dies kann jetzt sehr überraschend kommen und glaub mir, für mich war es nicht sehr viel weniger überraschend oder ist es sogar noch: Giselher hat mir gestern einen Heiratsantrag gemacht. So, jetzt weißt Du es und ich hoffe, Du bist jetzt nicht umgefallen oder zerreißt meinen Brief nun wütend in der Luft. Obwohl ich weiß, dass Du sicher nicht viel Zeit haben wirst, Deine persönliche Post zu lesen, so möchte ich trotzdem kurz erklären, wie es dazu kam:

Während ich in Gondor war, musste ich feststellen, dass meine Träume immer wieder durch sein Gesicht geprägt waren, hat mir der Gedanken an diesen Menschen die Kraft gegeben Merit beizustehen und hat die Hufe meines Pferdes angetrieben, als ich wieder zurück ritt. Als ich hier ankam, habe ich natürlich erst einmal versucht dieses zu vergessen, doch es gelang mir nicht und so versuchte ich wenigstens etwas Gutes für ihn zu tun und versorgte ihn so wie damals Dich mit kleinen Speisen. Damit habe ich natürlich erst einmal etwas Verwirrung gestiftet und Zarroc Angor ging sogar davon aus, dass es von einem möglichen Giftattentäter kommen könnte. Als mir dieses dann an die Ohren drang, sah ich es dann für nötig den Fürsten und Giselher aufzuklären, damit keine unnötigen Ressourcen auf eine Nachforschung des möglichen Täters verschwendet werden würden. Ich rechnete mit üblen Strafen, doch tatsächlich blieben diese aus. Bis auf eine gehörige Standpauke des Fürsten, der, als er realisierte warum ich dieses tat, mich erst einmal darüber aufklärte, dass ich, Bryanne Meroun, keine geeignete Frau für einen Sir Giselher Aldorn sei. Und ja, natürlich hatte und hat er Recht damit, doch dazu später mehr. Im Endeffekt jedoch kam er den folgenden Tag zu mir und gab mir seinen Segen. Du kannst Dir vorstellen was für ein Stein von meinem Herzen gefallen ist. Giselher weiß von meinen Gesprächen mit dem Fürsten noch nicht wirklich etwas, er reagierte auf meine Erklärung, wer ihm die Speisen vor seine Tür legte, zuerst recht verständnisvoll wenn nicht gar erfreut. Ich weiß nicht, was Giselher und der Fürst, die sich übrigens gegenseitig als Brüder bezeichnen, besprochen haben, doch hat anscheinend der Fürst bisher kein Wort gegenüber Giselher verlauten lassen, dass er mich für unpassend für ihn empfindet. In den letzten zwei Wochen ging dann alles recht schnell und ich bin immer noch verwirrt aber sehr glücklich über die Entwicklung. Giselher gestand mir seine Zuneigung vor einigen Tagen und gestern machte er mir dann tatsächlich einen Heiratsantrag bzw. fragte mich ob er um mich werben dürfe. Drakon, werben! Er bezeichnete mich sogar als Lady. So viel wie ich immer falsch mache, so muss ich wohl doch bezeiten etwas richtig gemacht haben, dass mich sowohl der Fürst als auch Giselher so sehr schätzen und Du weißt, dass ich mir nichts aus Titeln und dergleichen mache, aber es bedeutet mir sehr viel einfach weil ich sie eben auch sehr schätze…gut zugegeben, Giselher natürlich mehr als den Fürsten.

Jedoch scheint gestern dann zum ersten Mal jemand Giselher klar gemacht zu haben, dass er ein Mann von Stand ist, der nicht einfach irgendeine Bryanne Meroun heiraten könne. Mir war das natürlich schon bewusst, nicht allein wegen des Gesprächs mit dem Fürsten, aber Du siehst was für ein guter Mann der Fürst ist, dass er Giselher mit diesen Gedanken nicht belastet hat einfach weil er wahrscheinlich wusste, dass es Giselher in eine Gewissenskrise stürzen würde. Naja nun hat das aber jemand anderes für ihn erledigt und Du hättest Giselher gestern sehen sollen. Jedoch hat er sich ja augenscheinlich für mich entschieden und gab an morgen mit dem Fürsten zu sprechen, sowohl in dessen Funktion als Lehnsherr als auch als Bruder. Zwischendurch schlichen sich bei mir natürlich wieder die Gedanken ein, dass es meine Schuld ist, dass Giselher nun in dieser Zwickmühle ist und vielleicht hätte ich gar nicht die Schritte zu ihm gehen sollen, hätte ihm gar nicht zeigen sollen, wie es um mein Herz bestellt ist aber rückgängig machen kann ich es ja nun nicht mehr und auch wenn mal wieder der bryannesche Fluchtinstinkt eingesetzt hat, werde ich ihm nicht nachgeben und werde versuchen an Giselhers Seite das alles durchzustehen oder eben erst dann gehen, wenn ich fortgeschickt werde.

Aber, mein liebster Bruder, sollte dies alles den Weg nehmen, den ich mir so sehr erhoffe, werden Giselher und ich heiraten. Sollte dieses so sein, dann hoffe ich, dass Du dabei an meiner Seite stehen wirst in Vertretung meines Vaters, der, so lauteten meine letzten Informationen, sehr eingebunden an der Front in Osgiliath ist. Natürlich wünsche ich mir auch völlig unabhängig davon, dass Du uns hier besuchen kommst, aber ich weiß wie unrealistisch das ist, denn Du und Deine klugen Ratschläge so wie Dein Schwert werden in Gondor benötigt. Trotz allem würde ich mir sehr wünschen, wenn Du vielleicht doch einmal Zeit finden würdest und Deiner törichten Schwester einen Brief schreiben würdest, denn sie und viele andere hier, würden sich sehr über Worte von Dir freuen.

Uns ist der Zorn!

Deine Schwester, Bryanne